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FACTORY über AIRSKIN: Neustart nach Insolvenz

Nach der überraschenden Insolvenz des Wiener Robotik-Spezialisten Blue Danube Robotics ging eine der vielversprechendsten österreichischen Technologieentwicklungen scheinbar verloren. Doch die innovative Technologie erhält eine zweite Chance. Im FACTORY-Interview erklärt der neue CEO, wie die Roboter-Sicherheitstechnologie wieder auf Erfolgskurs gebracht werden soll.

Wie kam es zur Übernahme der Blue Danube Robotics-Assets durch Ihre Holding?

Reiner Meyer-Rössl: Unsere Quantum Holding hat bereits 2022 EEP Robotics übernommen, einen etablierten Systemintegrator mit nahezu 30 Jahren internationaler Markterfahrung. EEP hat schon bisher eng mit Blue Danube Robotics zusammengearbeitet und wir haben deren Technologie bei unseren Kunden integriert. Insofern war die Übernahme für mich sehr naheliegend.

Wann haben Sie zum ersten Mal von den finanziellen Schwierigkeiten bei Blue Danube gehört?

Meyer-Rössl: Wir waren gemeinsam an einem Projekt eines großen Automobilherstellers beteiligt und kurz vor Projektstart erreichte mich die Nachricht über die finanziellen Schwierigkeiten – wenig später folgte die Insolvenz. Als der Versuch der ehemaligen Geschäftsführung, einen neuen Investor zu finden, scheiterte, haben wir über die Quantum Holding die komplette Insolvenzmasse erworben: Maschinen, Technologiepark, IT-Systeme und sämtliche AIRSKIN-Patente.

Wir haben eine klare Trennung vorgenommen.

Wie unterscheidet sich die neue Struktur von der bisherigen Aufstellung?

Meyer-Rössl: Wir haben eine klare Trennung vorgenommen. Die neue “AIRSKIN GmbH” konzentriert sich ausschließlich auf Entwicklung, Produktion und Vertrieb der AIRSKIN-Produkte. Alle Systemintegrator-Geschäfte der Blue Danube Robotics wurden an die EEP Robotics übergeben. Diese Fokussierung ist entscheidend: Wir fahren jetzt mit etwa einem Drittel der ursprünglichen Belegschaft und setzen auf ein schlankeres, wirtschaftlich nachhaltiges Geschäftsmodell. Seit Anfang Juli habe ich auch die operative Geschäftsführung der neuen AIRSKIN GmbH übernommen.

Wie bewerten Sie das Marktpotenzial für die AIRSKIN-Technologie?

Meyer-Rössl: Das Potenzial ist enorm. Diese österreichische Erfindung bietet entscheidende Vorteile gegenüber herkömmlichen kollaborativen Robotern: Während Standard-Cobots Berührungen oft erst mit Verzögerung über Gelenksensoren registrieren, reagiert AIRSKIN sofort, dämpft auftretende Kräfte und macht Berührungen somit harmloser. Das ermöglicht bessere Workflows und engere Mensch-Maschine-Zusammenarbeit. Industrieroboter können mit AIRSKIN größere Lasten bewegen und haben längere Lebensdauer als typische Cobots. Neue Anwendungen in Automobilindustrie, Lebensmittelbereich und Logistik werden möglich, wo manuelle Interventionen erforderlich sind. Das Feedback zuletzt auf der Automatica in München war äußerst positiv – viele Kunden begrüßen unsere Fokussierung auf die Technologie statt auf das Systemintegrator-Geschäft.

Expansion und Geschäftsmodell-Optimierung gleichzeitig zu forcieren, hat das Unternehmen überfordert.

Und dennoch kam es zur Pleite. Was waren aus Ihrer Sicht die Hauptgründe für die Insolvenz von Blue Danube Robotics?

Meyer-Rössl: Der plötzliche Ausstieg des Hauptinvestors AVV war definitiv der Hauptgrund – ohne Vorwarnung wurde die Finanzierung beendet. Das bringt selbst die beste Mannschaft in Schwierigkeiten. Möglicherweise war man zu abhängig von einem einzigen Investor. Strategisch war die Entscheidung, parallel als Systemintegrator am Markt aktiv zu sein, durchaus sinnvoll für die Marktpositionierung. Aber Expansion und Geschäftsmodell-Optimierung gleichzeitig zu forcieren, hat das Unternehmen überfordert und zu nicht nachhaltiger Wirtschaftsweise geführt.

Was wollen Sie anders machen?

Meyer-Rössl: Wir setzen auf schlankere Strukturen, klare Fokussierung und wirtschaftliche Stabilität. Ich bin überzeugt, dass wir in ein bis eineinhalb Jahren wieder schwarze Zahlen schreiben werden. Wir mussten unsere Preise deswegen erhöhen, aber nur so können wir profitabel arbeiten.

Für die nächsten Jahre bleibt die Betriebsstätte in Wien – das ist fix.

Bleibt die Produktion in Wien?

Meyer-Rössl: Für die nächsten Jahre bleibt die Betriebsstätte in Wien – das ist fix. Mittelfristig könnten Produktionsteile in Auslandsmärkte verlagert werden, falls wirtschaftlich sinnvoll – etwa in den US-Markt oder größere Stückzahlen in China. Die Entwicklung bleibt jedoch auch langfristig in Wien, ebenso die Fertigung der sicherheitsrelevanten elektronischen Komponenten, die unter unserer direkten Kontrolle bleiben müssen.

Mit AIRSKIN und EEP besitzt Ihre Holding nun zwei heimische Automatisierungsunternehmen. Wie beurteilen Sie den Standort angesichts der aktuellen Wirtschaftslage?

Meyer-Rössl: Prognosen sind schwierig, aber ich bin optimistisch für die europäische und österreichische Wirtschaftserholung. Die Nachfrage für innovative Automatisierungslösungen bleibt hoch. Krisen führen oft zu Marktbereinigungen, aber die Guten überleben. Mit unserer langjährigen Erfahrung – EEP Robotics ist seit fast 30 Jahren am Markt – und dem echten Alleinstellungsmerkmal bei AIRSKIN sehe ich gute Chancen, auch die aktuelle Rezession erfolgreich zu meistern.

    • Quelle: FACTORY
    • Erschienen: 15 September 2025
    • Titel: AIRSKIN: Neustart nach Insolvenz